Wir schreiben das Jahr 1985, der Höhepunkt in Tina Turners Karriere, nach der Überwindung privater und beruflicher Rückschläge geht sie nach der Trennung von Ike Turner ihren beruflichen Weg allein. Tina Turner und Bowie singen auf der Private Dancer Tour „Tonight“ im Duett. Geschrieben wurde der Song ursprünglich von Bowie und Iggy Pop für das Album Lust for Life.
Ich kann von der Videoaufnahme kaum meine Augen abwenden. Die beiden, Turner und Bowie erzeugen bei ihrer Musik-Performance eindrücklich einen bleibenden Moment in der Musikgeschichte: Zwei starke Einzelkünstlerpersönlichkeiten zeigen auf der Bühne ihre Vertrautheit miteinander und flüstern sich eng umschlungen gut gelaunt Worte zu, während die Band weiterspielt. „Everyone will be alright tonight.“ Die Fans werden Zeuge einer Ebenbürtigkeit zwischen den beiden und wiegen sich ebenso lässig wie sie im sonnig anmutendem Reggae Rhythmus des Songs. Wir sehen zwei Weltstars, die sich selbst und anderen zu diesem Zeitpunkt nichts mehr beweisen müssen und eine bewegende Publikumsnähe erzeugen.
Bowie‘s Property,
Anna Lena Straube trat 2008 in mein Leben, besser gesagt, sie wurde stürmisch in mein Leben geweht und stellte sofort meine Glaubenssätze von „dürfen, müssen und können” auf den Kopf, da sie sich alles zu erlauben schien. Ich fand sie als Person schillernd unvorsichtig und egozentrisch zu diesem Zeitpunkt, gleichzeitig angenehm direkt und ungewöhnlich. Auf der Feier eines gemeinsamen Freundes bat sie mich damals prompt Modell zu stehen für ihre Malerei. Ich ließ mir ein wenig Zeit mit meiner Antwort, willigte jedoch bald ein. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass aus den Besuchen in ihrem Atelier in Berlin Kreuzberg eine so bereichernde, bisweilen turbulente Freundschaft erwachsen sollte, die mich bis zum heutigen Tage, also 16 Jahre später mit Dankbarkeit, Inspiration und der Freude über die Möglichkeit gemeinsamen Wachstums erfüllt.
Der Mut von Anna Lena, die Stringenz und Expertise, mit der sie der Malerei nachgeht sucht ihresgleichen. Ich kenne kaum eine andere Künstlerin, die mit allumfassendem Blick auf Kunst, Gesellschaft und Spiritualität so vielseitig vor allem Frauen in der Malerei abbildet. Ihre Lust zur Inszenierungspraxis, die meinem Beruf so nahe kommt wirkt auf mich stets stimulierend.
Hier im Werkzyklus Bowie`s Property finden sich Facetten von Weiblichkeit, die hell und dunkel, wild und sanft, zart und kräftig die Essenz des Fürsorglichen, des Kreativen, des Energiegeladenen in sich tragen und abbilden. Deutlich wird bei genauerer Betrachtung, dass dem Wesen dieser Frauen eines gemeinsam ist: Es sind Frauen, die den Eindruck konsequenter Bestimmtheit auf ihren individuellen und geteilten Wegen vermitteln.
Blicke ich weiter auf den Zyklus Bowie`s Property so begegne ich zudem einer ästhetisch klug komponierten Universalsprache in kosmischer Kohärenz und mit Referenzen zur Astrologie und ihren Häusern. Gleich im ersten Haus, „First House“ begegne ich der Entschlossenheit zum nächsten Schritt oder Sprung von drei unterschiedlichen Frauen. Das erste Haus in der Astrologie steht für Lebensgefühl und Charakterdisposition. Manche Astrologen meinen auch, dass das erste Haus die Maske des Menschen nach außen hin repräsentiert. Alternierendes von Wagnis und Kontrolle lese ich hier zudem. Möge die Betrachtung der Schauenden diesen Eindruck mit eigenen Empfindungen ergänzen. Bowie´s Musik scheint sich in den Bildern zu materialisieren: In Supernova erscheint Bowie verheißungsvoll rechts unten auf dem Plakat, in seinen Augen ruht ein „I will be king. And you, you will be queen.“*[2] Die Malerin hörte während der Arbeit Bowie´s Musik.
Anna Lena Straube begegnet in diesem Malereizyklus den Herausforderungen unserer Zeit mit einem bejahenden und anmutigen Farbspektrum. Sie setzt den Bedrohungen und den globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts eine Farbigkeit gegenüber, die uns als Betrachter*innen in eine freundliche aktive Gegenwart ruft. Ich verstehe den Zyklus als Einladung tiefer zu schauen und zu empfinden, was das Leben an Fülle bereit hält und blicke neugierig darauf, welche Form des Tätigseins und des Miteinanders die Malerin hier vorschlägt. Ich fühle mich gemeint als Tanzende, als Zauberin, als Spazierende, ich gehe Verbindungen ein mit Gefährtinnen und spüre die Kraft der Bilder durch die Verbundenheit ihrer Protagonistinnen untereinander.
Liebe Anna, ich wurde Zeugin der Reise, die dich als Person und Künstlerin ausmacht, um zu deiner bemerkenswerten Reife in allen Lebensbereichen und in der Kunst zu gelangen und blicke nun auf diesen Zyklus mit den Augen der stolzen Freundin und Gefährtin.
Ich lese in deinen Bildern den Ruf der Töchter, der Mütter, der Schwestern, der Freundinnen. Und was rufen sie? Lasst uns uns bei der Hand nehmen, tanzen, über den morgigen Tag sinnieren und vor allem ihn gemeinsam in vollen Zügen genießen!
Danke David Bowie, dass du dein Eigentum mit uns teilst. Danke Tina für dein Lebenswerk, deinen beispielhaften Kampf um künstlerische Integrität.
Und natürlich danke an dich, Anna, für diese farbenfrohe Erinnerung an Momente geteilten Glücks und geteilter Sinnstiftung, Danke für deine unerschöpflich konsequente Haltung bei den Umsetzungen des Mysteriums des Lebens in die Malerei.