2021 hat Susanne Ristow mit der Arbeit an der Serie Are you A Boy? begonnen. Inmitten der Pandemie, wir erinnern uns alle noch leibhaftig daran, hat sich unser alltägliches Leben sehr stark verändert. Der bis dahin normale Alltag war nicht mehr denkbar und auch was die Zukunft uns bringen wird, unklar. Die Pandemie hat die Welt und unser aller Leben auf unterschiedliche Art und Weise in Atem gehalten, aber auch Möglichkeiten aufgetan, die vorher so nicht denkbar waren. Im Falle von Susanne Ristows künstlerischem Schaffen hat sich die kollaborative Arbeit mit ihrem Sohn Konrad aufgetan, der sich zu dem Zeitpunkt zwischen Schulabschluss, Auszug und Studienanfang befand – also in einer entscheidenden Phase einer Neuorientierung. Eine Phase, in der die Beschäftigung mit Identität und Lebensentwürfen stattfindet.
Für die Werkreihe hat er die Rolle des Modells übernommen und in verschiedenen Posen Körperlichkeit erprobt. Dazu hat sich Susanne Ristow auf das Medium Malerei fokussiert und Aquarelle und Malereien angefertigt, die sich bewusst mit der Tradition weiblicher Modelle der europäischen Kunstgeschichte befassen. Gemeinsam mit ihrem Sohn Konrad hat sie sich durch große Vorbilder der Kunstgeschichte gearbeitet, das Repertoire aber auch um Filmikonen und Medienbilder erweitert. Dazu hat sie eine besondere Maltechnik entwickelt.
Bevor ich diesen Text schrieb, habe ich gedacht, dass ich einen Fokus auf das Thema Mutterschaft legen möchte, weil es doch so präsent in der Konzeption der Werkreihe ist und in der Kunst und Kultur weiterhin aus Notwendigkeit brandheiß diskutiert wird. Es ist prägend und nicht wegzureden, dass Künstlerinnen aufgrund ihres Geschlechts und einer potentiellen oder faktischen Mutter- bzw. Elternschaft strukturelle Diskriminierung erfahren haben und auch heute noch erfahren. Ich möchte diesen Aspekt nicht unformuliert wissen. Doch als ich die Ausstellung erstmals sah, stolperte ich nicht über ein Motiv sondern über ein Detail im Bild. Die blaue Hand der Figur kam mir vertraut vor.
Die Vorlage für diese Malerei ist die Schauspielerin Penelope Cruz im Film Jamon, Jamon des spanischen Regisseurs Biogas Luna aus dem Jahr 1992. Aber gab es hier noch ein weiteres Zitat? Ich sprach Susanne Ristow darauf an, ob es in ihrer Arbeit Bezug zur Malerei von Marlene Dumas gäbe und sah ein Leuchten in ihren Augen. Sie erzählte mir, wie sie in ihrem zweiten Studienjahr bei der Documenta IX erstmals Werke der Künstlerin gesehen habe und später sogar versucht habe, ihr über den Asta der Kunstakademie Düsseldorf eine Gastprofessur anzutragen. Die blaue, tropfende Hand der großformatigen Penelope im roten Kleid, dieses kleine Zitat, das Bild im Bild im Bild, referiert in der Tat auf ein Werk von Marlene Dumas: 1994 hat sie ein Porträt ihrer Tochter Helena im Hochformat angefertigt. Das Werk der südafrikanisch-niederländischen Künstlerin heißt The Painter und zeigt die nackte, vierjährige Tochter der Künstlerin, deren Hände von roter und blauer Farbe getränkt sind. Ristow greift das Detail in ihrer Malerei auf. Das Blau und das Rot sind dabei die Farben, die uns durch unseren Körper vertraut sind: Sie verweisen auf das Blut, das durch unsere Adern fließt. Malerei und Körper sind eng miteinander verbunden.
Die Werkreihe Are You A Boy? ist also in einem Diskurs der zeitgenössischen Malerei zu verorten und weit rmehr als das Ergebnis einer Kollaboration zwischen Mutter und Sohn während und nach der Pandemie. Die Werkreihe ist nicht dazu da eine Diskussion um Geschlechterrollen zu lösen, noch diese einfach nur abzubilden. Vielmehr geht es darum in den Kosmos zirkulierender Bilder und kultureller Normen zu intervenieren. Die dazu entwickelte Maltechnik unterstützt den Eindruck der Leibhaftigkeit ihrer Motive und beackert das aufgeladene Medium Malerei. Susanne Ristow hat ein Konvolut geschaffen, das Mutterschaft beinhaltet, strukturelle Fragen von Geschlecht und die Malerei als Medium herausfordert und hat dabei die spezifischen Qualitäten des konservativen Mediums bewusst eingesetzt. (Katharina Bruns, Kunsthistorikerin)